Neue Waldweide im Biosphärengebiet Schwarzwald

Eine Gruppe Ziegen auf einer Waldlichtung

Ein historisches Projekt für Biodiversität und Kulturlandschaft

Im Biosphärengebiet Schwarzwald startet ein außergewöhnliches Projekt: Nach über 100 Jahren wird bei Utzenfeld im Landkreis Lörrach erstmals wieder eine moderne Waldweide eröffnet. Am Freitag wurden erstmals wieder Ziegen auf die Fläche gelassen. Diese historische Nutzung, die im 19. Jahrhundert verboten wurde, wird nun als wichtiger Beitrag zum Erhalt und zur Förderung der Biodiversität lichter Wälder und der Kulturlandschaft neu belebt.

„In früheren Zeiten wurden regelmäßig Tiere in den Wald getrieben, in historischen Aufnahmen und Luftbildern ist die offene Struktur noch gut zu sehen“, erklärt Landwirt Klaus Wetzel, dessen Tiere sich nun auf der alten neuen Waldweide junge Triebe schmecken lassen. Die Waldweide bei Utzenfeld ist historisch belegt: Auf die ehemalige Nutzung als sogenannter Hutewald weisen unter anderem die im Bestand vorhandenen Weidbuchen hin, die durch regelmäßigen Verbiss entstehen und als Hotspots der Biodiversität gelten. Über Jahrhunderte wurden solche lichten Wälder durch Beweidung genutzt.

Ziel des Projekts

„Die moderne Waldweide dient der Entwicklung von mosaikartig verzahnten, halboffenen Landschaften, in denen der Lichtwald mit angrenzenden Offenland-Biotopen verbunden ist. Aus Sicht des Natur- und Artenschutzes sind solche Flächen absolut wertvoll“, erklärt Oliver Bechberger, Leiter des Fachbereichs Naturschutz, Landschaftspflege, Forschung und Monitoring im Biosphärengebiet Schwarzwald.

Durch die Beweidung soll der Wald lichter werden, jedoch weiterhin als Wald erhalten bleiben – der sogenannte Beschirmungsgrad soll von heute etwa 80 Prozent auf bis zu 40 Prozent verringert werden. Die Beweidung mit Ziegen für jeweils wenige Tage im Monat sorgt dafür, dass krautige Pflanzen und verholzte Sträucher in der Krautschicht reguliert werden, wodurch neue Strukturen entstehen, die den Artenreichtum fördern. Das Projekt integriert die Ziele des Natur- und Artenschutzes vollständig, da die Fläche Teil des Naturschutzgebiets Utzenfluh und des Flora-Fauna-Habitat (FFH)-Gebiets Belchen ist.

Im Rahmen des Projekts wurde zunächst der Ausgangszustand kartiert, um so den Einfluss der Beweidung nachverfolgen zu können. Neben dem Beschirmungsgrad werden verschiedene Artengruppen wie Totholzkäfer, Laufkäfer, Vögel, Heuschrecken, Fledermäuse, Flechten und Moose kontinuierlich erfasst.

Partnerschaftliche Zusammenarbeit

Das Projekt wird durch das Sonderprogramm biologische Vielfalt des Umweltministeriums Baden-Württemberg gefördert und durch zahlreiche Partner realisiert. Die Gemeinde Utzenfeld stellt die Flächen zur Verfügung, während das Biosphärengebiet Schwarzwald die Koordination und Fördermittelakquise übernimmt. Auch die höheren und unteren Forstbehörden, der Landschaftserhaltungsverband Lörrach sowie die höhere und untere Naturschutzbehörde waren an der Antragstellung und Ausgestaltung beteiligt. „Das Projekt zeigt sehr gut auf, wie Naturschutz, Landwirtschaft und Forstwirtschaft gemeinsam zielgerichtet ein Projekt umsetzen können. Der Bestand hat forstwirtschaftlich eher wenig Potential, ist aber aus Sicht des Naturschutzes umso wertvoller“, so Revierleiter Matthias Schmiederer.

Martin Wietzel, Bürgermeister der Gemeinde Utzenfeld ergänzt: „Der gemeinschaftliche Einsatz der verschiedenen Akteure zeigt eindrucksvoll, wie erfolgreich regionale Zusammenarbeit für den Erhalt unserer Landschaft und Lebensweise sein kann. Mit diesem Projekt setzen wir ein starkes Zeichen für nachhaltige Landbewirtschaftung und den Erhalt unserer Heimat.“

Warum Ziegen?

Eine Beweidung mit Rindern, die auf vielen Steilhängen im Südschwarzwald für die Offenhaltung sorgen, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich, da es nur eine schwach ausgeprägte Grasschicht gibt. Für Ziegen reicht dieses Futterangebot aus. Zudem sind Ziegen sehr genügsam was den Wasserverbrauch angeht, was aufgrund der zunehmenden Trockenereignissen und der teils schwierigen Wasserversorgung der Tiere ebenfalls eine wichtige Rolle spielt.

Das Projekt läuft zunächst für drei Jahre und dient als Pilotprojekt. Eine anschließende wissenschaftliche Auswertung soll die Auswirkungen der erneuten Beweidung bewerten und aufzeigen, ob Waldweiden auch an anderer Stelle wiederbelebt werden könnten.

Foto: Die Ziegen halten Einzug auf der Waldweide bei Utzenfeld. Foto: Oliver Bechberger/Biosphärengebiet Schwarzwald